1945
Sämtliche Prüfstellen des Reichssortenregisters haben ihre Arbeit eingestellt. Viele Pflanzenzuchtbetriebe fliehen von Ost- und Mitteldeutschland in den Westen und lassen sich hauptsächlich in Norddeutschland nieder. Im November wird der Verband deutscher Pflanzenzüchter mit Sitz in Hannover gegründet.
1946
Durch die Initiative der vorläufigen Landwirtschaftskammer Hannover wird am 1. April eine zentrale Sortenregister- und Wertprüfungsstelle auf dem Rittergut in Rethmar eingerichtet.
1947
Von Rethmar aus wird der systematische Auf- und Ausbau der westdeutschen Sortenprüfung organisiert und gesteuert.
1948
Zahlreiche ehemalige Mitarbeiter des Reichssortenregisters nehmen Kontakt mit den Verantwortlichen in Rethmar auf. So können mehrere alte Prüfstellen besonders in Süddeutschland wiedererrichtet werden.
1949
Im Dezember wird erstmals eine Sortenliste veröffentlicht, die für das ganze Gebiet der neugegründeten Bundesrepublik gilt.
1950
Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wird zuständig für das „Sortenamt für Nutzpflanzen“ in Rethmar. Die Landwirtschaftskammer in Bonn schlägt vor, das Sortenamt ins Rheinland zu verlegen, was 1952 von einem aus Burgdorf stammenden Staatssekretär abgelehnt wird.
1951
Die Finanzierung der Prüfstellen teilen sich Bund und Länder. Es beginnen erste größere Investitionen, wie z.B. die Anschaffung von elf Unimogs.
1952
Der Entwurf für ein erstes Saatgutgesetz wird dem Bundestag vorgelegt. Es wird ein Ausschuss gebildet, dessen Beratungen u.a. auch im Gutsgebäude in Rethmar stattfinden.
1953
Das Saatgutgesetz wird verabschiedet. In Rethmar entsteht damit eine neue selbstständige Bundesoberbehörde mit der Bezeichnung „Bundessortenamt“. Leiter des Amtes wird C.H. Roemer, der während des Krieges Leiter der Reichssaatgutstelle war.
1954
Nachdem das Rittergut dem Sortenamt bereits 1952 ein Hektar Land an der Bundesstraße 65 verkauft hatte, konnte der Bau von Haus 1 (Verwaltungsgebäude) schnell abgeschlossen werden. 1953 und 1954 folgen die Häuser II und III sowie Wirtschaftsgebäude und Gewächshäuser.
1955
Im Freihandelsabkommen GATT wird u.a. der weltweite Handel mit Saatgut liberalisiert, was den westdeutschen Saat- und Zuchtbetrieben einen harten Schlag versetzt.
1956
Schon vor dem Krieg gab es Bemühungen für internationale Regelungen hinsichtlich des Sortenschutzes. Dieses Vorhaben wird nun von französischer Seite wieder aufgegriffen.
1957 - 1963
Zahlreiche Verhandlungen für eine Harmonisierung des europäischen Sorten- und Saatgutrechts werden geführt, an denen regelmäßig auch Mitarbeiter des BSA Rethmar teilnehmen.
1964
Im Zuge internationaler Projekte entsteht zwischen dem Leiter des Bundessortenamtes D. Böringer aus Rethmar sowie den Vertretern aus Paris und London eine enge Zusammenarbeit. Aus dieser Beziehung ergibt sich über dreißig Jahre ein starker Einfluss auf die Entwicklung des Sorten- und Saatgutwesens in Europa und weit darüber hinaus.
1965 - 1968
Aufgrund internationaler Regelungen muss das deutsche Saatgutrecht gänzlich überarbeitet werden. Nach mehrjähriger Arbeit treten die Gesetze 1968 in Kraft.
1969
Vertreter des Bundessortenamts werden immer öfter zu internationalen Sortenberatungen hinzugezogen. Ab 1969 werden Amtshilfeverfahren durchgeführt für Länder wie Ungarn, Argentinien, Chile, CSSR, Iran, Israel, Japan, Kanada, Marokko, Österreich, Polen, u.a..
1970
Aufgrund einer notwendigen Personalaufstockung auf über 200 Mitarbeiter sowie Schwierigkeiten bei der Installierung einer ersten EDV-Anlage in Rethmar wird die Zentrale des Bundessortenamts nach Bemerode verlegt.
1972
Es wird entschieden, dass in den kommenden zehn Jahren ein Neubau für die Zentrale in Hannover entstehen soll.
1974
Erste Novellierung des Sortenschutzgesetzes von 1968. Das Artenverzeichnis wird auf zahlreiche Obstarten sowie Zierpflanzen ausgeweitet. Der erste EWG-Sortenkatalog für Gemüsearten wird veröffentlicht.
1975
Die Ölkrise zwingt auch das Bundessortenamt zu starken Sparmaßnahmen. Erstmals finden deutsch-deutsche Beratungen über Sorten- und Saatgutfragen mit der ost-deutschen Zentrale in Nossen bei Dresden statt.
1976
Flächenmäßiger Ausbau der Prüfstelle in Rethmar durch Ankauf von 52 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche in Clauen.
1977
Erstmaliger Besuch des Direktors der ostdeutschen Zentralstelle aus Nossen H.Witt.
1978
Erste diplomatische Versuche, die USA in die europäischen Saatgutabkommen mit einzubeziehen. Dies erweist sich als schwierig, weil in den USA bei Pflanzen auch vom Patentrecht Gebrauch gemacht wird.
1979
Durch Schließungen von Prüfstellen besonders in Süddeutsch-land in diesem und den Jahren zuvor, konzentrieren sich die Hauptaktivitäten des BSA immer mehr auf den Raum Hannover.
1980
Bezug der neuen Zentrale in Hannover-Buchholz. Die Saatgut-einsendestelle in Rethmar wird aufgegeben.
1984
Bundesminister Ignaz Kiechle besucht die Prüfstelle in Rethmar mit einem Hubschrauber
1985
Die neugefassten Gesetze zu Sortenschutz und Saatgutverkehr treten in Kraft. Durch die zunehmende Anwendung von Bio- und Gentechnik beginnt eine weltweite Diskussion über das Verhältnis von Patent- und Sortenschutz. Das BSA schlägt vor, das Sortenschutzgesetz auch für Tierrassen zu öffnen.
1986
Die molekularbiologische und biochemische Sortenprüfung bekommt neben der traditionellen Prüfung eine immer größer werdende Bedeutung.
1987
Feierliche Erteilung des 5000. Sortenschutzes.
1988
Die gentechnische Pflanzenzüchtung gerät immer mehr in den Fokus der Diskussionen. Die Anmeldeformulare des BSA werden für transgene Sorten angepasst. Erster Entwurf für die Errichtung eines von deutscher Seite erarbeiteten EURO-Sortenamtes wird vorgelegt.
1989
Sämtliche Sorten des ganzen Pflanzenreiches (ausgenommen Mikroorganismen) unterliegen bis dato dem Sortenschutz.
1990
Die Wiedervereinigung verändert das Gefüge des BSA grundlegend. Das ostdeutsche Sortenschutzsystem wird in das westdeutsche eingegliedert. Die Auflösung zahlreicher Prüfstellen der DDR wird eingeleitet.
1991
Zahlreiche DDR-Sorten werden in der gesamtdeutschen Sortenliste aufgenommen. Durch die rasche Umwandlung und Privatisierung ostdeutscher Zuchtbetriebe ist jedoch oft unklar, wem die Sorten nun gehören.
1992
Das novellierte Sortenschutzgesetz stellt sicher, dass keine Pflanzensorte mehr dem Patentrecht unterliegt. Dieses Gesetz wird in den kommenden 25 Jahren oftmals missachtet.
1993
Die Bauarbeiten für das neue große Wirtschaftsgebäude in Rethmar werden abgeschlossen.
1994
Die „Gemeinschaftliche Europäische Sortenschutz-Verordnung“ tritt in Kraft. Damit ist eine Sortenschutzerteilung in der gesamten EU gültig.
1995
Das „Gemeinschaftliche Sortenamt“ (CPVO) wird nach Angers in Frankreich verlegt. Der nationale Sortenschutz verliert an Bedeutung und es werden zunehmend auf europäischer Ebene Sortenschutzanträge bearbeitet.
1996-2015
Rethmar bleibt bis zu seiner Schließung im Jahr 2015 eine vollwertige Prüfstelle.
Initiative zur Erhaltung historischer Gemüsesorten