Kartoffel "Linda"

 

Viele Gemüsesorten, die in Deutschland seit den 1950er Jahren gezüchtet wurden, hat es lange Zeit im Handel gegeben und sind doch irgendwann wieder in Vergessenheit geraten, weil sie neueren Sorten weichen mussten. Normalerweise verschwinden die alten Sorten dann klammheimlich aus den Regalen der Supermärkte, was von den meisten Verbrauchern kaum wahrgenommen wird.

 

Genauso wäre es beinahe auch der Kartoffelsorte Linda ergangen. Doch bei Linda war alles anders. Ein Aufschrei der Entrüstung ging durch das Land, Initiativen gründeten sich, jahrelange Prozesse wurden geführt, Prominente und Politiker meldeten sich zu Wort, sogar eine Rockband sang „Rettet Linda!“. Sechs Jahre lang sorgte Linda für Schlagzeilen und erhitzte die Gemüter wie keine andere Gemüsesorte vor ihr.

 

Dabei begann die Geschichte von Linda ganz unspektakulär in der Lüneburger Heide auf dem Hof des Saatzuchtbetriebs Friedrich Böhm bei Munster. 1974 beantragte Böhm eine Sortenzulassung beim Bundessortenamt in Hannover, die auch bewilligt wurde. Für einen Zeitraum von 30 Jahren bekam der Saatzüchter somit das Recht, Saatgut von Linda zu vertreiben und kostenpflichtige Lizenzen für die Saatguterzeugung an andere Züchter zu vergeben.

 

1993 gingen die Rechte auf die neu gegründete Europlant Pflanzenzucht GmbH über, die mit den Lizenzen der Kartoffelsorte bis 2004 noch gutes Geld verdiente. Dann wäre der Sortenschutz erloschen und Linda zum kostenfreien Allgemeingut geworden, natürlich nicht im Sinne der Europlant GmbH. Doch der Saatgutproduzent bediente sich eines Tricks und beantragte kurz vor Ablauf des Sortenschutzes das Löschen der Zulassung mit der Begründung, dass Linda minderwertige Eigenschaften besäße und den modernen Ansprüchen nicht mehr genüge. Daraufhin wurde Linda von der Bundesortenliste gestrichen und durfte von niemandem mehr vermarktet werden.

 

Allerdings war Linda eine beliebte Sorte in der Bio-Branche und hatte gerade bei den kleineren Bio-Betrieben einen hohen Marktanteil, die sie gerne weiter angebaut hätten. Der Biohofbetreiber Karsten Ellenberg aus Barum beantragte beim Bundessortenamt deshalb eine Neuzulassung, was jedoch zu einem komplizierten Rechtsstreit mit der Europlant GmbH führte. Schließlich griff Ellenberg seinerseits zu einem Trick und beantragte erfolgreich eine Zulassung dieser Sorte in England, worauf Linda 2010 gemäß EU-Recht schließlich auch in Deutschland wieder zugelassen werden musste.

 

Das langjährige Ringen um die Sortenrechte führte indessen zu einem großen Medieninteresse und ließ die Vertreter der Agrar- und Saatgutindustrie in zweifelhaftem Licht erscheinen. Unangenehm war die Angelegenheit auch für das Bundessortenamt in Hannover, von dessen Existenz bis dahin nur die wenigsten gehört hatten.